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Aufklärung statt Verklärung: Die literarische DDR im Spiegel unserer Zeit.

Salonabend an der BBAW

Unter großem Andrang der interessierten Öffentlichkeit fand am Abend des 13.5.2023 in den Räumen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften der Salon Sophie Charlotte mit dem diesjährigen Rahmenthema Aufklärung 2.0. statt. Neben Vorträgen, Diskussionen und Führungen war auch das Kooperationsprojekt Literarisches Feld DDR als Science Station mit einem breit gestreuten Programm vertreten: In Gesprächen mit der Redaktionsleiterin, Marianne Jacob, und einem Doktoranden wurde das Forschungsprojekt den Besuchern vorgestellt. Auf außerordentliches Interesse stießen dabei die durchgeführten Interviews mit den ehemaligen Absolventen des Literaturinstitutes Johannes R. Becher in Leipzig, welches Zeit seines Bestehens die einzige Ausbildungsstätte für Schriftsteller im deutschsprachigen Raum gewesen war. Getreu dem Motto des Salons folgend, konnte den Besuchern ein Bild der literarischen DDR im Spiegel unserer Zeit vermittelt werden, und zwar unter der Beachtung des literarischen Schaffens der Autoren und den politischen Erwartungen der DDR-Staatsführung. Aufklärung als Begriff erfuhr dabei einen völlig neuen Bedeutungsinhalt.

Foto: Florian Jacob

Die Gästefragen und Anregungen waren vielfältiger Natur; so kannte eine Besucherin weitere DDR-Autoren persönlich und bot Kontaktvermittlung an. Mehrere Anwesende äußerten sich über die Relevanz des Projektes für die Forschung, erkundigten sich nach einem Nachfolgevorhaben zu weiteren DDR-Schriftstellern sowie über die Quellenauswahl, wie z.B. die Bibliographischen Annalen und Archivanfragen. Eine gebürtige Ostpreußin interessierte sich für Autoren aus Ostpreußen und den anderen ehemaligen deutschen Ostgebieten sowie besonders für die Fragebogeninterviews (u.a. Egbert Lipowski). Die Ausbildung der Mitarbeiter am Forschungsvorhaben, die Sammlung Jacob und deren Digitalisierung waren ebenfalls für das Publikum von Interesse. Studenten der FU Berlin (mit einem ähnlichen Forschungsgebiet zu Persönlichkeiten der DDR) und Mitarbeiter der BBAW waren von den technischen Möglichkeiten der von Jörn Kreutel an der Berliner Hochschule für Technik entwickelten und am Salonabend in Auszügen erstmals vorgeführten Datenbank angetan, als probeweise Namens-, Orts- und Werktitelabfragen ermittelt wurden. Eine Lesebegeisterte der DDR-Literatur erzählte, dass sie sich mit der Biographie der deutsch-isländischen Autorin Helga Maria Nowak beschäftige. Mitglieder des Vereins Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin wollten Näheres zu Quellen- und Adressermittlung sowie dem Verlauf der Fragebogenaktion wissen. Ein Ehepaar fragte schließlich u.a. nach Berufen in der DDR-Zeit und möglichen Karrierebrüchen der Schriftsteller in der Wendezeit. Um Auskünfte zu Genderforschung im Projekt und der IM-Tätigkeit der Autoren bat eine Wissenschaftlerin aus Polen.

Der gelungene Abend zeigte einmal mehr die Relevanz der weiteren Forschung auf dem Gebiet der DDR-Literatur und birgt Vorfreude auf den kommenden Salon.

Autorin: Marianne Jacob

Die „Sammlung Jacob. DDR-Autoren“

Das Projekt nutzt für seine Forschungen gedruckte und ungedruckte Quellen, wie Lexika, Bücherverzeichnisse, Datenbanken, Autoren-Interviews sowie Archivmaterialien und greift hier auch auf Spezialsammlungen, wie auf die von 1970 bis 2020 geführte „Sammlung Jacob. DDR-Autoren“ zurück.

Auf vielfältigen Wunsch von Besuchern der BBAW-Arbeitsstelle im Rahmen des Salons Sophie Charlotte[1], wie Wissenschaftlern , Studenten und auch Angehörigen von Autoren, die Geschichte der „Sammlung Jacob“ zu fixieren, wird hiermit der Bitte nachgekommen.

Karteikartensammlungen und Zettelkataloge waren bis zu den 1970er Jahren, vor Einführung der Computer, die übliche Art, von Bibliotheken, Archiven, Museen und Sammlern, die Quellenbestände, wie Bücher, Periodika, Handschriften und Archivalien zu erschließen. Neben den umfangreichen alphabetisch geordneten sowie systematisch gegliederten Bandkatalogen in größeren Bibliotheken, gab es Zettelkataloge und Karteien im Bibliotheks-, Buch- und Archivwesen sowie für spezielle Sammlungen u.a. zu Nachlässen, Briefwechseln und Wörterbüchern. Bekanntes Beispiel ist hier auch das Richard-Wossidlo-Archiv, einer Zettelsammlung des bekannten Volkskundlers (1859-1939), die heute digital einsehbar ist.

Die „Sammlung Jacob. DDR-Autoren“ ist ein im Laufe der letzten Jahrzehnte gewachsener Teil des „Karl-Goedeke-Archivs“.[2] Inspiriert durch die Arbeiten von Karl Goedeke, dem Begründer des germanistischen Standardwerkes „Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung“[3] , dessen Bearbeiter Herbert Jacob seit 1949 war, wurde das Hauptarchiv in privater Arbeit von dem Germanisten[4] kontinuierlich aufgebaut. Primärer Dokumententyp sind hier hand- und maschinenschriftliche (Schreibmaschine) Quellenfunde zu den einzelnen Autoren.

1970 begann Jacob in eigener Initiative mit einer Sammlung bio-bibliographischer Notizen zu DDR-Schriftstellern. Hier recherchierte er in Lexika, Zeitungen sowie Archivbeständen und verzeichnete u.a. Namen, Wirkungsorte, Mitarbeit in Zirkeln Schreibender Arbeiter, Genre der Autoren und lexikalische Quellen auf Karteikarten. Zur Ergänzung wurden Verlage, Vereine und auch Autoren befragt. Jacob, der persönlich u.a. auch mit Günter Kunert+ und Ingeborg Feustel+ (der Schöpferin des Pittiplatsch) bekannt war, entwarf ebenfalls in privater Arbeit das Grundmodell für die von ihm später an der Akademie er Wissenschaften der DDR bearbeiteten „Bibliographischen Annalen. Literatur in der DDR 1945-1962“.[5]; er ist Begründer der Nachfolgereihe: “Bibliographische Annalen. Literatur in der DDR“, die 2021 beim Verlag de Gruyter erschien.[6]

Basierend auf einer weitverzweigten und interdisziplinären Erkundung gedruckter literarischer Zeugnisse aus der DDR liegen heute mit der „Sammlung Jacob. DDR-Autoren“ Angaben vor, die in Form von mehr als 10000 Karteikarten Belege zu Autorennamen, bibliographischen Angaben, literarischer Tätigkeit, Nachweisen zur Primär- und Sekundärliteratur, zu Nekrologen sowie Quellenhinweisen zahlreiche Schriftsteller in der SBZ und DDR für den Wirkungszeitraum 1945 bis 1990 erfasst und ausgewertet hat. Eine Vielzahl heute kaum mehr präsenter Autoren ist mit Hinweisen auf ihre literarische Tätigkeit sowie durch Quellenangeben erschlossen. Hier sind ebenfalls die Absolventen des „Instituts Johannes R. Becher“ erfasst.

Die Sammlung wurde bis 2020 ergänzt und enthält heute als katalogisierte Gedächtnisinstitution weit über 4000 Autorennamen.

Autorin: Marianne Jacob


[1] Vgl. Aufklärung 2.0. BBAW, Salon Sophie Charlotte 13. Mai 2023, S. 26: Die literarische DDR im Spiegel unserer Zeit

[2] Vgl. Wilksch, Klaus-Peter: Das Karl-Goedeke-Archiv. Vortrag am 4. Febr. 2008 an der BBAW. Berlin

[3] Vgl. Interview mit Marianne Jacob im Kulturradio vom rbb am 4. Febr. 2008

[4] Vgl. Artikel: Herbert Jacob. In: Internationales Germanistenlexikon 1800-1950. Hrsg.: Chr. König. 2003

[5] Jacob, Herbert: Literatur in der DDR. Bibliographische Annalen. 1945-1962. Bd 1-3. Berlin 1986

[6] Bibliographische Annalen. Literatur in der DDR. 1945-1990. Bd 1-8. Hrsg. von der BBAW… Berlin 2021

Präsentation der Forschungsplattform an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

Im Dezember 2021 präsentierten Marianne Jacob, Jörn Kreutel und Steffen Martus die Forschungsplattform an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Unter dem folgenden Link erhalten Sie einen Einblick in den Arbeitsbericht.

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