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Kurzporträt: Jürgen Frühauf
Zum letzten in der DDR am Institut für Literatur immatrikulierten Jahrgang für Direktstudierende (1988-1991) gehört neben Holger Benkel, Axel Haase, Ralf Julke, Leokadia Kuhn, Bodo Ranke, Raymund Töpfer und Ingrid Weißbach auch Jürgen Frühauf.
Der 1955 in Gera geborene Autor Jürgen Frühauf ist gelernter Elektronikfacharbeiter und hat bis zu seinem Studium mehrere Jahre im Uranbergbau der SDAG Wismut unter Tage gearbeitet. Nach der Wende wurde er Pressesprecher der AOK in Thüringen. Er ist verheiratet, hat einen erwachsenen Sohn und wohnt in Erfurt.[1]E-Mail-Auskunft an Marianne Jacob vom 11. Dezember 2021.
Im Jahr 1988 veröffentlichte er den Lyrikband „Mit Adam und Eva am Stammtisch” im Verlag Tribüne. Darüber hinaus gibt es seit den 1980er Jahren zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien – z.B. „Neue Lyrik – Neue Namen”, Verlag Neues Leben 1988; „Durch den Tag laufen”, Verlag Tribüne 1989; „Ich komme von weit”, Verlag Neues Leben 1989; „Deutsch reden”, Verlag S. Fischer 1993; „Experimentierfeld Schreibschule”, Wallstein Verlag 2020.
„Bevor ich schreibe, schaue ich den Leuten immer genau aufs Maul. In der Sprache der einfachen Leute steckt eine ungeheure Poesie. Von dort kommen meine Wörter. Ich bündle sie ins Licht, damit sie uns nicht abhandenkommen“, erklärt Frühauf.[2]Interview Marianne Jacob mit Jürgen Frühauf
Als prägende Lehrer aus der Studienzeit nennt er den Literaturwissenschaftler Bernd Leistner, den Schriftsteller Peter Gosse und den Gastdozenten Ralf Schröder.[3]Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. In seiner Abschlussarbeit „Neue Welt“ finden sich Lyrik und Prosaminiaturen mit Einblicken in die Kindheit, die Liebe, die Arbeitswelt und ein zerfallendes Land namens DDR. Dabei sind seine chronistischen Qualitäten geprägt von einem humorvollen, aber auch drastischem Tonfall, der bis ins Experimentelle und Anarchische reicht.
Von 1988 bis 1991 war der Lyriker und Prosaist Jürgen Frühauf Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR. Zu seinen literarischen Mentoren zählt er neben seinem väterlichen Freund und Autor Hannes Würtz die Literaturwissenschaftlerin Dr. Mathilde Dau und den Schriftsteller Martin Viertel.[4]Ebd.
Jürgen Frühauf
Unterricht
Ans Reck
hopp hopp
bischen zackig du Sack
du nasser
ins Magnesium mit den Flossen
weichgekochtes Ei
Grundstellung
Grundstellung hab ich gesagt
Felgaufschwung
Felgumschwung zweidrei
ab die Post Griffel an die Stange
hoch umgreifen rum
rauf mit dem Arsch
nicht so strampeln
Maikäfer
greift der Lusche unter die Arme
reißt ihm den Arsch hoch
na los doch
und rum
bis die Übung sitzt
los du Flasche
Grundstellung.
Von Marianne Jacob
Kurzporträt: Holger Benkel
„Die Seminargruppe, zu der ich gehörte, ist insofern nicht repräsentativ fürs Literaturinstitut, als das angestrebte Studienziel nicht erreicht werden konnte. Die Studenten der Gruppe, die meisten waren um die 30, hatten ihr Studium mit der Absicht begonnen, […] sich Grundlagen zu schaffen für die freiberufliche […] oder literaturnahe Arbeit und das häufig nach beruflichen Umwegen, Abbrüchen begonnener Studien und der Berufslaufbahnen, […] sowie Tätigkeit als Hilfsarbeiter und Reinigungskraft. Sie wollten endlich eine Lebensperspektive […].“[1]Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2. 7. 2021. Mit diesen Worten beschreibt Holger Benkel, der wie auch Bodo Ranke (†), Uwe Heit, Olaf Müller und Raymund Töpfer zu den letzten Absolvent*innen des Literaturinstituts Johannes R. Becher der Jahre 1988 bis 1991 gehörte, diese Umbruchzeit.
Der Autor, Jahrgang 1959, Sohn eines Buchdruckers sowie Lehrers und einer Sachbearbeiterin, besuchte die Polytechnische Oberschule in der Elbestadt Schönebeck. Nach kurzzeitiger Arbeit in einem Traktorenwerk war er Pressevolontär bei einer Lokalredaktion der Volksstimme Magdeburg und arbeitete ab 1980 als Mitarbeiter an der Kulturakademie Magdeburg.[2]Holger Benkel: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. 1987 besuchte er das Becher-Institut im Fernstudium und begann hier ein Jahr später das Direktstudium. Seine Dozent*innen waren Friedrich Albrecht, Peter Gosse, Anneliese Hübscher, Bernd Leistner und Hubert Witt. Gut kann Benkel sich noch an seine beiden Abschlußarbeiten erinnern: etwa 60 Gedichte[3]Gedichte erschienen größtenteils im Gedichtband „Kindheit und Kadaver“ Magdeburg 1995. sowie „augenglasspiegelhautkapseltum oder der kosmos in der küche. Zur lyrik von birgitt lieberwirth“.[4]Ders. Ebenda.
Über die Zeit nach dem Studium äußert sich der Autor von Lyrik, Essay, Rezension und „Mikrogedanken“[5]Ders. ebd., die bisweilen nachdenklich bis aufrüttelnd sind: „Manche der Studenten haben literarisch weiter gearbeitet, andere völlig damit aufgehört. Einige sind zu ihren früheren Berufen zurückgekehrt. Mir ermöglichte der soziale Tod Erkenntnisse, die man sonst so leicht nicht bekommt. Ich hatte seither nie wieder Illusionen und entwickelte statt dessen ein definitives Mißtrauen, das man normalerweise erst am Lebensende hat.“[6]Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2.7. 2021.
Seit 1995 veröffentlicht der Schriftsteller, der bis zum Jahre 2000 einen Zirkel Schreibender Schüler am Gymnasium in Schönebeck leitete[7]Holger Benkel: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob., regelmäßig Essays, Aphorismen und Gedichte, die auch an Georg Trakl erinnern. Für sein literarisches Schaffen erhielt er u.a. den Georg-Kaiser-Preis des Landes Sachsen-Anhalt (1996) sowie den Preis Forum Literatur in Ludwigsburg. Zur „Aufgabe der Literatur“ äußert er: „Man kann mit Büchern nicht die Wirklichkeit verändern oder gar den Menschen, sondern nur einzelne Menschen anregen“.[8]Ebenda. Ihn selbst haben Autoren aus verschiedensten Zeiträumen angeregt, u.a. Aristophanes, Ovid, Novalis, Kleist, Hölderlin, Baudelaire, Rimbaud, Trakl, Kafka, Bobrowski, Arno Schmidt, Dürrenmatt sowie Heiner Müller, Fühmann und Christa Wolf, aber auch Jacob Grimm, Friedrich Nietzsche und Walter Benjamin haben sein (schriftstellerisches) Leben geprägt.[9]Ebd.
Benkels „aphoristische Gedanken reflektieren auch Erfahrungen der Jahre am Literaturinstitut“[10]Benkel, Holger: Brief an Marianne Jacob 15. 6. 2021.. Hier eine kleine Auswahl:
„literatur und kunst:
altersweise kunst greift oft auf erlebnisweisen der kindheit zurück, wie wenn das leben dazwischen nur ein durchgangstor, eine pforte ins erkennen wäre.
denken und bildung:
aufgeklärtes denken verlangt, daß jeder antwort eine originellere neue frage folgt.
utopie und hoffnung:
wer aus der analyse des zustands der welt geradewegs ein programm entwickeln wollte, müßte die menschheit abschaffen.
krieg und gewalt:
gewaltfreiheit ist beim menschen eine kulturleistung, die stets, und von jeder generation, neu erlernt werden muß.“
Holger Benkel: Aphoristische Gedanken. Brief an Marianne Jacob. 8. Tag des steineichenmonats 2021, auf der suche nach der anderswelt.
Von Marianne Jacob
References
↑1 | Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2. 7. 2021. |
---|---|
↑2, ↑7 | Holger Benkel: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. |
↑3 | Gedichte erschienen größtenteils im Gedichtband „Kindheit und Kadaver“ Magdeburg 1995. |
↑4 | Ders. Ebenda. |
↑5 | Ders. ebd. |
↑6 | Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2.7. 2021. |
↑8 | Ebenda. |
↑9 | Ebd. |
↑10 | Benkel, Holger: Brief an Marianne Jacob 15. 6. 2021. |