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Literatur als „Herzenssache”. Nachruf auf Gerhard Wolf
Gerhard Wolf und die Studierenden der deutschen Literatur – das ist eine Geschichte beglückender und inspirierender Begegnungen. Sie begann mit seinem Besuch bei uns an der Humboldt-Universität im Juni 2015. Die gerade erst gegründete studentische Arbeitsgruppe „Christa Wolf andernorts“ hatte den Essayisten und Herausgeber eingeladen, von der Gründung seines Verlags Januspress zu erzählen. Noch gab es keinen eigenen Ort, wir trafen uns im Heiner Müller Transitraum.
(mehr …)Kurzporträt: Holger Benkel
„Die Seminargruppe, zu der ich gehörte, ist insofern nicht repräsentativ fürs Literaturinstitut, als das angestrebte Studienziel nicht erreicht werden konnte. Die Studenten der Gruppe, die meisten waren um die 30, hatten ihr Studium mit der Absicht begonnen, […] sich Grundlagen zu schaffen für die freiberufliche […] oder literaturnahe Arbeit und das häufig nach beruflichen Umwegen, Abbrüchen begonnener Studien und der Berufslaufbahnen, […] sowie Tätigkeit als Hilfsarbeiter und Reinigungskraft. Sie wollten endlich eine Lebensperspektive […].“[1]Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2. 7. 2021. Mit diesen Worten beschreibt Holger Benkel, der wie auch Bodo Ranke (†), Uwe Heit, Olaf Müller und Raymund Töpfer zu den letzten Absolvent*innen des Literaturinstituts Johannes R. Becher der Jahre 1988 bis 1991 gehörte, diese Umbruchzeit.
Der Autor, Jahrgang 1959, Sohn eines Buchdruckers sowie Lehrers und einer Sachbearbeiterin, besuchte die Polytechnische Oberschule in der Elbestadt Schönebeck. Nach kurzzeitiger Arbeit in einem Traktorenwerk war er Pressevolontär bei einer Lokalredaktion der Volksstimme Magdeburg und arbeitete ab 1980 als Mitarbeiter an der Kulturakademie Magdeburg.[2]Holger Benkel: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. 1987 besuchte er das Becher-Institut im Fernstudium und begann hier ein Jahr später das Direktstudium. Seine Dozent*innen waren Friedrich Albrecht, Peter Gosse, Anneliese Hübscher, Bernd Leistner und Hubert Witt. Gut kann Benkel sich noch an seine beiden Abschlußarbeiten erinnern: etwa 60 Gedichte[3]Gedichte erschienen größtenteils im Gedichtband „Kindheit und Kadaver“ Magdeburg 1995. sowie „augenglasspiegelhautkapseltum oder der kosmos in der küche. Zur lyrik von birgitt lieberwirth“.[4]Ders. Ebenda.
Über die Zeit nach dem Studium äußert sich der Autor von Lyrik, Essay, Rezension und „Mikrogedanken“[5]Ders. ebd., die bisweilen nachdenklich bis aufrüttelnd sind: „Manche der Studenten haben literarisch weiter gearbeitet, andere völlig damit aufgehört. Einige sind zu ihren früheren Berufen zurückgekehrt. Mir ermöglichte der soziale Tod Erkenntnisse, die man sonst so leicht nicht bekommt. Ich hatte seither nie wieder Illusionen und entwickelte statt dessen ein definitives Mißtrauen, das man normalerweise erst am Lebensende hat.“[6]Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2.7. 2021.
Seit 1995 veröffentlicht der Schriftsteller, der bis zum Jahre 2000 einen Zirkel Schreibender Schüler am Gymnasium in Schönebeck leitete[7]Holger Benkel: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob., regelmäßig Essays, Aphorismen und Gedichte, die auch an Georg Trakl erinnern. Für sein literarisches Schaffen erhielt er u.a. den Georg-Kaiser-Preis des Landes Sachsen-Anhalt (1996) sowie den Preis Forum Literatur in Ludwigsburg. Zur „Aufgabe der Literatur“ äußert er: „Man kann mit Büchern nicht die Wirklichkeit verändern oder gar den Menschen, sondern nur einzelne Menschen anregen“.[8]Ebenda. Ihn selbst haben Autoren aus verschiedensten Zeiträumen angeregt, u.a. Aristophanes, Ovid, Novalis, Kleist, Hölderlin, Baudelaire, Rimbaud, Trakl, Kafka, Bobrowski, Arno Schmidt, Dürrenmatt sowie Heiner Müller, Fühmann und Christa Wolf, aber auch Jacob Grimm, Friedrich Nietzsche und Walter Benjamin haben sein (schriftstellerisches) Leben geprägt.[9]Ebd.
Benkels „aphoristische Gedanken reflektieren auch Erfahrungen der Jahre am Literaturinstitut“[10]Benkel, Holger: Brief an Marianne Jacob 15. 6. 2021.. Hier eine kleine Auswahl:
„literatur und kunst:
altersweise kunst greift oft auf erlebnisweisen der kindheit zurück, wie wenn das leben dazwischen nur ein durchgangstor, eine pforte ins erkennen wäre.
denken und bildung:
aufgeklärtes denken verlangt, daß jeder antwort eine originellere neue frage folgt.
utopie und hoffnung:
wer aus der analyse des zustands der welt geradewegs ein programm entwickeln wollte, müßte die menschheit abschaffen.
krieg und gewalt:
gewaltfreiheit ist beim menschen eine kulturleistung, die stets, und von jeder generation, neu erlernt werden muß.“
Holger Benkel: Aphoristische Gedanken. Brief an Marianne Jacob. 8. Tag des steineichenmonats 2021, auf der suche nach der anderswelt.
Von Marianne Jacob
References
↑1 | Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2. 7. 2021. |
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↑2, ↑7 | Holger Benkel: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. |
↑3 | Gedichte erschienen größtenteils im Gedichtband „Kindheit und Kadaver“ Magdeburg 1995. |
↑4 | Ders. Ebenda. |
↑5 | Ders. ebd. |
↑6 | Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2.7. 2021. |
↑8 | Ebenda. |
↑9 | Ebd. |
↑10 | Benkel, Holger: Brief an Marianne Jacob 15. 6. 2021. |