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Kurzporträt: Ulrich Berkes
1987 erschien das erste in der DDR publizierte Buch über Homosexualität. Autor war der Lyriker Ulrich Berkes.
Der 1936 in Halle geborene Sohn eines Architekten und einer Hausfrau absolvierte mehrere Ausbildungen und ging verschiedenen beruflichen Tätigkeiten nach, bevor er schließlich Schriftsteller wurde. Da er ursprünglich Unterstufenlehrer werden wollte, studierte er nach dem Abschluß der Polytechnischen Oberschule in Bad Salzungen zwischen 1954 und 1957 am Lehrerbildungsinstitut in Meiningen.[1] Anschließend arbeitete er als Dreher und Fräser, als Hilfsarbeiter, Zeichenlehrer und Pionierleiter, Güte- und Materialprüfer.2 Von 1967 bis 1970 studierte Berkes am Leipziger Institut für Literatur. Zu seinen Kommilitonen gehörten Klaus Bourquain, Egbert Lipowski, Horst Matthies, Waldemar Spender und Meike Schmieder. Gleich nach dem Abschluß des Studiums wurde Berkes, der sich schon frühzeitig in Arbeitsgemeinschaften Junger Autoren sowie in Zirkeln Schreibender Arbeiter engagierte, freischaffend. 1977 war er Kandidat des Schriftstellerverbandes der DDR, später dessen Mitglied. Berkes veröffentlichte in mehreren Anthologien erste Gedichte und wurde mit dem Band Prosagedichte „Ikarus über der Stadt“ (1976) bekannt. In dieser Zeit erhielt er auch diverse Arbeitsstipendien des Berliner Aufbau-Verlages 3 und veröffentlichte 1984 den Gedichtband „Tandem“, in dem er auch die Zeit am Leipziger Literaturinstitut reflektiert:
Klassiker
Wenn Shakespeare käme und sagte
Putz mir die schuhe, ich würde
Die schuhe ihm putzen, auch
Brecht würd ich sie putzen
Obwohl, der ist nicht so groß wie
Shakespeare, aber ich würde, sagte
Georg Maurer im seminar lyrik.
Ich sah nach seinen schuhn.[4]
Ulrich Berkes. Mit freundlicher Genehmigung
Berkes, der in seinen Werken das Thema der Homosexualität aufgreift, publizierte 1987 das Tagebuch „Eine schlimme Liebe“. Hier verfolgte er „zwei Linien: Erstens: Leben und Werk von Isidore Ducasse (Lautréamont)“ und „Zweitens: Die unvorhersehbaren Tage meines Lebens mit Martin, eine Zickzachklinie aus alltäglichen Fakten, Arbeit, Begegnungen, Reisen, Erinnerungen und Träumen“5:
9. Januar (1985)
Bei meinem ersten Buch ist es mir nicht gelungen, aber diesmal: Ich sehe, wie jemand „Tandem“ kauft.
Es ist ein Mädche, mit Brille und langem Haar über braunem Pelzmantel, wahrscheilich eine Studentin. Ich beobachte, wie sie in der Brecht-Buchhandlung ein Exemplar von dem hohen Stapel nimmt und darin liest.
Sie legt es bestimmt wieder zurück, denke ich, zurück auf den Stapel, neben Helga Schuberts Buch.
Nein, sie nimmt es mit.
Ich würde gern wissen, warum sie es kauft; aber das werde ich nicht erfahren.“[6]
Ulrich Berkes verstarb im Dezember 2022 in Berlin. Die Verfasserin dankt ihm und Herrn Strecker für die hilfreiche Teilnahme an der Fragebogenaktion und die freundliche Unterstützung der Forschungsarbeiten.
Autorin: Marianne Jacob
1 Ulrich Berkes: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob
2 Sammlung Jacob
3 Ulrich Berkes: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob
4 Berkes, Ulrich: Tandem. Berlin 1984, S. 26.- Vgl auch S. 25: Die straße (!) Georg Maurers
5 Berkes, Ulrich: Eine schlimme Liebe. Tagebuch. [Umschlagtext]
6 Berkes, Ulrich: Eine schlimme Liebe. Berlin 1987, S. 269
Kurzporträt: Egbert Lipowski
„‚Hast du schon darüber nachgedacht, dass wir eines Tages in ein Altenheim müssen?‘, fragte Marie Paul. ‚Wir müssen uns anmelden, die Plätze werden immer knapper und teurer. Alte Leute sind überflüssig.‘“[1]
Diese wenigen Zeilen (Fortsetzung s. unten) aus dem Kapitel „Die durchtanzte Nacht“ des als Manuskript vorliegenden Romans „Die überflüssigen Alten“ von Egbert Lipowski zeigen bereits, wie sich der Autor in seinem aktuellen literarischen Schaffen der Problematik des Älterwerdens, Altseins und der Nichtreflexion des Themas in der Öffentlichkeit widmet.
(mehr …)Kurzporträt: Horst Matthies
Der in der Wahlheimat Karl Mays, in Radebeul bei Dresden, geborene Horst Matthies erlernte zunächst den Beruf eines Bergmanns im VEB Steinkohlenwerk Karl Marx in Zwickau, arbeitete danach in Freital als Hauer „und diente, bis ihn das Schreiben unerwartet überfiel“[1], 10 Jahre lang im Polizeidienst[2]. Er studierte ab 1967 drei Jahre am Literaturinstitut und es „entwickelten sich freundschaftliche Beziehungen, wie etwa mit Waldemar Spender, Manfred und Brigitte Boden […], Dieter Beier, Elisabeth Semrau (später Ehefrau von Max Walter Schulz), Siegfried Weinhold, Klaus Bourquain“[3]. Obwohl das Studium nun schon etliche Jahre zurückliegt, erinnert er sich in der Fragebogenauskunft gut an viele Dozenten und beschreibt damit ein umfangreiches Bild der vielfältigen Lehrveranstaltungen u.a. bei Joachim Nowotny (Prosa), Günter K. Lehmann (Ästhetik), Hans Pfeifer (Dramatik), Kurt Kanzog (Klassische deutsche Literatur), Roland Opitz (Sowjetliteratur), Dietrich Allert (Gegenwartsliteratur), Horst Pickert (Philosophie), Ursula Sczeponik (Gegenwartsliteratur), Gerhard Rothbauer (Stilistik), Marianne Hübscher (Gastdozentin für Kunstgeschichte). Matthies‘ Abschlußabeit behandelte „das sozialistische Menschenbild – Bedingungen seiner Entwicklung und die Aufgaben der Literatur“.[4]
(mehr …)Die Befragung von Autor*innen mittels Fragebögen
Wesentliche Teile der Forschungsdaten wurden mittels Befragungen noch lebender Autor*innen bzw. deren Angehöriger erhoben. Wenig strukturierte Fragebögen erwiesen sich dafür als besonders geeignet, denn begünstigt durch deren Offenheit gelang es, zahlreiche persönliche Erfahrungen sowie subjektiv Bedeutsames der so interviewten Schriftsteller*innen zu erhalten. Damit kann eine größere Bandbreite aufgezeigt werden. Die Erkenntnisse stellen zweifellos eine außerordentliche Bereicherung der Vielfalt und des Umfangs der „Forschungsplattform Literarisches Feld DDR. Autor*innen, Werke, Netzwerke“ dar.
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