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Kurzporträt: Jürgen Köditz

„Als Kinder lernten wir die Schokoladenseiten der DDR kennen. Wir durften kostenlos unsere Ferien in Betriebsferienlagern in waldreichen Landschaften mit Spiel, Wanderungen und Gesang verbringen. Aber schon damals behagte vielen nicht, dass wir jeden Morgen zum Fahnenappell antreten mussten. So schlich sich […] Disziplinierung unmerklich in unser Kinderleben“, beschreibt Autor Jürgen Köditz seine Kindheit im „Bilderbuch-Sozialismus“.[1]Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“. Arbeiterschriftsteller und Staatsfeind, in: Gerbergasse 18 (59) 2010, S. 15.

Mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Köditz.

Köditz wurde 1939 als Sohn eines Buchhalters und einer Sparkassenangestellten in Jena geboren und erlernte nach dem Abschluss der 8. Klasse den Beruf eines Bauschlossers.[2]Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. Er las viel, beobachtete seine Arbeits- und Umwelt und begann Artikel „über die Abfallentsorgung in die Saale zu schreiben“[3]Isabelle Lehn; Sascha Macht; Katja Stopka: Schreiben lernen im Sozialismus. Göttingen 2018, S. 387., die nie publiziert wurden. Seit 1964 wirkte er im Zirkel Schreibender Arbeiter Carl Zeiss Jena.[4]Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. . Fünf Jahre später gehörte er zu den ersten Fernstudenten des damals neu eingerichteten Studienganges am Institut für Literatur Leipzig; gemeinsam mit seinen Kommilitonen Rudolf Prinz (+), Friedrich Plate und Peter Biele wechselte er dann dort 1970 in das Direktstudium.[5]Interview mit Marianne Jacob.

Köditz, ausgestattet mit derbem Humor, unangepasst, „zu sozialistischen Idealen erzogen“, hat „mit spitzer Feder viele Missstände aufgespiesst“, so seine Selbstauskunft.[6]Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“, S. 16. „So geschah es schon im ersten Monat am Literaturinstitut“[7]Ebd. , als Köditz mit einer literarischen Arbeit über seine negativen Erlebnisse bei der Nationalen Volksarmee berichtete. „Ein besonders wachsamer Student […] empörte sich bei der Institutsleitung“ und Köditz erhielt einen „schweren Verweis wegen Klassenfeindlichkeit.“[8]Ebd.

Der Kommilitone Steffen Mohr (+) bezeichnet Köditz als „Naiven“[9]Lehn et al: Schreiben lernen im Sozialismus, S. 411., in den Stasi-Akten über ihn wurde er als „Träumer“[10]Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“, S. 18. geführt. 1976 erschien sein erster Gedichtband, mit nachdenklichem, sachlichem und auch kritischem Blick auf Arbeitsalltag, Natur und Zukunft:

Meine Spur

Wer auf der Planierraupe sitzt,

schiebt viel über den Haufen.

Weh tut mir manchmal,

einzuplanieren,

die letzte Trollblume,

das letzte Froschkonzert

vor unserer Stadt

Jürgen Köditz: Meine Spur, in: Ders.: Meine Blaujackenzeit. Gedichte. Berlin 1976, S. 51.

Seine unbequemen, spöttischen, nachdenklichen, anprangernden und auch mahnenden Aphorismen „Spitzensalat“ erschienen im Wendejahr im Eulenspiegel Verlag Berlin. Köditz resümiert: „Einst gefördert von den Genossen wurde ich zweimal ins literarische Abseits befördert: in der DDR und in den Jahren danach bis heute.“[11]Ebd. Im Jahr 2005 zog Köditz nach Brasilien und gründete dort eine Familie.[12]Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.

Im Elfenbeinturm der Erkenntnis

1. Anordnung:

Über die Hauptbelastung für Energie –

sparsam sein.

2. Anordnung:

Über Belastbarkeit der Werkzeuge

und Maschinen – pfleglich

und rationell mit ihnen umgehen.

3. Anordnung:

Über Belastbarkeit von Menschen –

noch immer in Vorbereitung.

Jürgen Köditz: Im Elfenbeinturm der Erkenntnis, in: Ders.: Spitzensalat. Berlin 1989, S. 72.

Autorin: Marianne Jacob

References

References
1 Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“. Arbeiterschriftsteller und Staatsfeind, in: Gerbergasse 18 (59) 2010, S. 15.
2 Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.
3 Isabelle Lehn; Sascha Macht; Katja Stopka: Schreiben lernen im Sozialismus. Göttingen 2018, S. 387.
4 Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.
5 Interview mit Marianne Jacob.
6 Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“, S. 16.
7 Ebd.
8 Ebd.
9 Lehn et al: Schreiben lernen im Sozialismus, S. 411.
10 Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“, S. 18.
11 Ebd.
12 Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.

Kurzporträt: Birgit Herkula

„Kinder sind offen, neugierig, ohne Vorurteil, […] begeisterungsfähig, lebensbejahend und zukunftsgläubig“, so äußerte sich die Autorin in einem Interview von Kindern und Jugendlichen.[1]Lesen: ein Leben lang. Kinder- und Jugendliteratur aus Sachsen-Anhalt. Literaturhaus Magdeburg 2009. Birgit Herkula, die im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, im Friedrich-Bödecker Kreis Sachsen Anhalt e.V. sowie im Förderverein der Schriftsteller Sachsen Anhalt e.V. Mitglied war, ist in nur wenigen Literaturlexika vertreten. Herkula, Jahrgang 1960, Tochter eines Fernmeldemonteurs und Tonmeisters sowie einer Sekretärin[2]Fragebogenauskunft an Marianne Jacob., arbeitete seit 1984 als Autorin und Herausgeberin, seit 2005 als freischaffende Schriftstellerin.

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References

References
1 Lesen: ein Leben lang. Kinder- und Jugendliteratur aus Sachsen-Anhalt. Literaturhaus Magdeburg 2009.
2 Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.

Kurzporträt: Martin Meißner

Es geschieht nicht alle Tage, dass ein Buchautor zum Bürgermeister gewählt wird.

Bekanntes Beispiel aus der Nachkriegszeit ist Hans Fallada (geboren als Rudolf Ditzen), Autor der Bestseller „Kleiner Mann – was nun?“ und „Jeder stirbt für sich allein“, der 1945 in der mecklenburgischen Kleinstadt Feldberg als Bürgermeister eingesetzt worden war. Auch ein späterer Absolvent des Literaturinstituts Johannes R. Becher, Franz Freitag, wirkte nach dem Zweiten Weltkrieg kurzzeitig in Mecklenburg als Bürgermeister.[1]Interview Marianne Jacob mit Herbert Jacob, 2021 Der in der DDR bekannte Kinder- und Jugendbuchautor Martin Meißner wurde 1990 zum stellvertretenden Bürgermeister von Klötze gewählt.

Mit freundlicher Genehmigung von Martin Meißner.

Meißner, der in seiner Jugendzeit als Bohrarbeiter und Matrose arbeitete, studierte von 1961 bis 1965 Pädagogik, Deutsch und Geographie an der Karl-Marx-Universität Leipzig und arbeitete danach als Fachlehrer. [2]Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. Von 1968 bis 1970 studierte er am Literaturinstitut J. R. Becher. Nebenbei veröffentlichte er einige Jugendbücher, wie „Die Pferdediebe von Seberitz“. Bevor er 1984 freischaffender Schriftsteller wurde, war er ab 1979 Lehrer an einer Sprachheilschule. Die Erfahrungen aus seinem Beruf werden insbesondere in dem einfühlsamen Kinderbuch „Manuel und der Waschbär“ aufgegriffen, mit einer Thematik, die auch in der DDR nicht alltäglich zur Sprache kam: „einem Kinderheim, einem guten, umsorgt von verständnisvollen Erziehern“ mit „dem freundlichen Sprachheillehrer, der sich sehr […] bemüht“.[3]Martin Meißner: Manuel und der Waschbär. 2. Aufl. Berlin 1983. Einbandtext. Erzählt wird die Geschichte von Manuel, einem Jungen, der bittere Enttäuschungen erlebt hatte, von einem Tier fasziniert wird, mit diesem Freundschaft schließt und langsam wieder Selbstvertrauen gewinnt. In den Geschichten von Meißner stehen oftmals die Mensch-Tier-Mensch-Beziehungen im Mittelpunkt der Handlungen, so wie auch in „Blitzard“ eine Taube, eine Igelfamilie in „Die Flöte mit dem Wunderhorn“, und Hengste in „Die Pferdediebe von Seberitz“.

Neben weiteren Jugendbüchern veröffentlichte Meißner einen „Kinderstadtführer Magdeburg“ (2003) sowie einen „Sachsen-Anhalt-Krimi“ unter dem Titel „Blutholz“ (2011).

Ich wachse immer morgens

Es ist morgens.

Das weiß Nora. Weil es hell ist. Weil sie nicht mehr schläft und schon auf dem Spielplatz sitzt. Morgens ist, wenn die Sonne zum Spielplatz kommt.

Das Mädchen sitzt im Sandkasten. Das heißt, auf einem Brett am Rand. Nur seine Füße sind im Sandkasten. Der Sand ist kalt. Nora merkt das, weil sie ihre Schuhe ausgezogen hat und die Strümpfe auch. Von oben aber werden ihre Füße warm, da sie in der Sonne sind.

Sie guckt ihre Füße an. Obwohl Nora sie kennt, guckt sie ihre Füße lange an. Als hätte sie die neu.

Nora weiß, wie sie heißt. Andere wissen das nicht. Auch ihre Mutter nicht. Sie ruft sie immer „Kleine“. Und weil ihre Mutter sie immer Kleine nennt, denken alle, so hieß sie und sagen Kleine zu ihr.

Andere Kinder wissen ihren Namen nicht und reden nicht mit ihr, weil sie nicht richtig sprechen kann. Und sie ist auch nicht richtig im Kopf, sagen sie gleich mit. Nora spricht gern. Aber weil sie keiner versteht, redet sie am liebsten mit sich selbst. Oder mit dem alten Mann. Der ihren Namen kennt.

Auf den wartet Nora jetzt. Denn morgens ist, wenn die Sonne auf ihre Füße scheint und der alte Mann gekommen ist. Auf der Bank sitzt, die am Nachmittag den Müttern mit ihren Kindern gehört.

Ich wachse so gern, hatte Nora mal zu dem alten Mann gesagt, als er sie ohne Schuhe und Strümpfe im Sandkasten sah. Am liebsten am Morgen.

Der Mann fand das lustig und lachte. Das hatte er noch gar nicht gehört, dass ein Mädchen nur am Morgen wuchs. Sie wuchs so gern, sagte sie, damit sie bald niemand mehr Kleine nennen konnte und jeder ihren richtigen Namen sagt.

Und damit Nora auch wirklich schnell wuchs, zog sie ihre Schuhe aus und die Strümpfe ebenfalls. Sie hielt ihre nackten Füße in die Sonne, was dem alten Mann ganz besonders gefiel.

Das machst du richtig, sagte er. Alles Leben braucht Sonne und kommt aus ihr.

Und dann fiel ihm noch was ein. Oder auch Nora selbst. Sie wusste es nicht mehr. Sie brachte am nächsten Morgen eine kleine Gießkanne voll Wasser mit. Und damit gossen sie ihre Füße. Nora zuerst. Aber bald half ihr dabei der alte Mann. Wie man Blumen oder Kohlpflanzen gießt, hielt er die Kanne schief und machte ihre Füße nass. Was die Wurzeln für die Pflanzen waren, wären die Füße für ein Kind.

So, nun kannst du schön wachsen, sagte er, als kein Wasser mehr in der Kanne war. Und dann schauten beide auf Noras Füße und freuten sich. Nora wartete darauf, dass es kribbelte. Und wenn es kribbelte, wusste sie, dass sie wieder ein kleines Stückchen größer geworden war.

Das machten sie, bevor die anderen Kinder kamen. Zum Schluss stellte sich Nora mit dem Rücken an einen kleinen Baum. Dann legte ihr der alte Mann die Hand auf den Kopf. So kontrollierte er, ob sie auch ordentlich wuchs. Zuletzt hob er Nora hoch. Damit sie den Unterschied auch richtig sah.

Martin Meißner: Ich wachse immer morgens, in: Ort der Augen 4 (2009)[4]Martin Meißner: Ich wachse immer morgens, in: OdA Ort der Augen 4 (2009). Die Rechte für diesen Text liegen beim Autor. Mit freundlicher Genehmigung von Martin Meißner.

Autorin: Marianne Jacob

References

References
1 Interview Marianne Jacob mit Herbert Jacob, 2021
2 Fragebogenauskunft an Marianne Jacob
3 Martin Meißner: Manuel und der Waschbär. 2. Aufl. Berlin 1983. Einbandtext.
4 Martin Meißner: Ich wachse immer morgens, in: OdA Ort der Augen 4 (2009). Die Rechte für diesen Text liegen beim Autor. Mit freundlicher Genehmigung von Martin Meißner.

Kurzporträt: Norbert Marohn

Seit den 1980er Jahren wurde der Autor Norbert Marohn mit seinen Veröffentlichungen von Prosa, Hörspielen sowie Gedichten, Essays, Buch- und Theaterkritiken in Zeitschriften und Zeitungen bekannt. Besonders hervorzuheben sind seine zahlreichen öffentlich wirksamen Rundfunk-Dokumentationen, -Biografien und -Features, u.a. über den „Röhm-Putsch“, zu Anna Seghers, Ludwig Renn und Gunter Preuß.[1]Norbert Marohn: E-Mail an Marianne Jacob, 20.12.2021.

Mit freundlicher Genehmigung von Norbert Marohn

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References

References
1 Norbert Marohn: E-Mail an Marianne Jacob, 20.12.2021.

Kurzporträt: Holger Benkel

„Die Seminargruppe, zu der ich gehörte, ist insofern nicht repräsentativ fürs Literaturinstitut, als das angestrebte Studienziel nicht erreicht werden konnte. Die Studenten der Gruppe, die meisten waren um die 30, hatten ihr Studium mit der Absicht begonnen, […] sich Grundlagen zu schaffen für die freiberufliche […] oder literaturnahe Arbeit und das häufig nach beruflichen Umwegen, Abbrüchen begonnener Studien und der Berufslaufbahnen, […] sowie Tätigkeit als Hilfsarbeiter und Reinigungskraft. Sie wollten endlich eine Lebensperspektive […].“[1]Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2. 7. 2021. Mit diesen Worten beschreibt Holger Benkel, der wie auch Bodo Ranke (†), Uwe Heit, Olaf Müller und Raymund Töpfer zu den letzten Absolvent*innen des Literaturinstituts Johannes R. Becher der Jahre 1988 bis 1991 gehörte, diese Umbruchzeit.

Mit freundlicher Genehmigung von Holger Benkel

Der Autor, Jahrgang 1959, Sohn eines Buchdruckers sowie Lehrers und einer Sachbearbeiterin, besuchte die Polytechnische Oberschule in der Elbestadt Schönebeck. Nach kurzzeitiger Arbeit in einem Traktorenwerk war er Pressevolontär bei einer Lokalredaktion der Volksstimme Magdeburg und arbeitete ab 1980 als Mitarbeiter an der Kulturakademie Magdeburg.[2]Holger Benkel: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. 1987 besuchte er das Becher-Institut im Fernstudium und begann hier ein Jahr später das Direktstudium. Seine Dozent*innen waren Friedrich Albrecht, Peter Gosse, Anneliese Hübscher, Bernd Leistner und Hubert Witt. Gut kann Benkel sich noch an seine beiden Abschlußarbeiten erinnern: etwa 60 Gedichte[3]Gedichte erschienen größtenteils im Gedichtband „Kindheit und Kadaver“ Magdeburg 1995. sowie „augenglasspiegelhautkapseltum oder der kosmos in der küche. Zur lyrik von birgitt lieberwirth“.[4]Ders. Ebenda.

Über die Zeit nach dem Studium äußert sich der Autor von Lyrik, Essay, Rezension und „Mikrogedanken“[5]Ders. ebd., die bisweilen nachdenklich bis aufrüttelnd sind: „Manche der Studenten haben literarisch weiter gearbeitet, andere völlig damit aufgehört. Einige sind zu ihren früheren Berufen zurückgekehrt. Mir ermöglichte der soziale Tod Erkenntnisse, die man sonst so leicht nicht bekommt. Ich hatte seither nie wieder Illusionen und entwickelte statt dessen ein definitives Mißtrauen, das man normalerweise erst am Lebensende hat.“[6]Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2.7. 2021.

Seit 1995 veröffentlicht der Schriftsteller, der bis zum Jahre 2000 einen Zirkel Schreibender Schüler am Gymnasium in Schönebeck leitete[7]Holger Benkel: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob., regelmäßig Essays, Aphorismen und Gedichte, die auch an Georg Trakl erinnern. Für sein literarisches Schaffen erhielt er u.a. den Georg-Kaiser-Preis des Landes Sachsen-Anhalt (1996) sowie den Preis Forum Literatur in Ludwigsburg. Zur „Aufgabe der Literatur“ äußert er: „Man kann mit Büchern nicht die Wirklichkeit verändern oder gar den Menschen, sondern nur einzelne Menschen anregen“.[8]Ebenda. Ihn selbst haben Autoren aus verschiedensten Zeiträumen angeregt, u.a. Aristophanes, Ovid, Novalis, Kleist, Hölderlin, Baudelaire, Rimbaud, Trakl, Kafka, Bobrowski, Arno Schmidt, Dürrenmatt sowie Heiner Müller, Fühmann und Christa Wolf, aber auch Jacob Grimm, Friedrich Nietzsche und Walter Benjamin haben sein (schriftstellerisches) Leben geprägt.[9]Ebd.

Benkels „aphoristische Gedanken reflektieren auch Erfahrungen der Jahre am Literaturinstitut“[10]Benkel, Holger: Brief an Marianne Jacob 15. 6. 2021.. Hier eine kleine Auswahl:

„literatur und kunst:

altersweise kunst greift oft auf erlebnisweisen der kindheit zurück, wie wenn das leben dazwischen nur ein durchgangstor, eine pforte ins erkennen wäre.

denken und bildung:

aufgeklärtes denken verlangt, daß jeder antwort eine originellere neue frage folgt.

utopie und hoffnung:

wer aus der analyse des zustands der welt geradewegs ein programm entwickeln wollte, müßte die menschheit abschaffen.

krieg und gewalt:

gewaltfreiheit ist beim menschen eine kulturleistung, die stets, und von jeder generation, neu erlernt werden muß.“

Holger Benkel: Aphoristische Gedanken. Brief an Marianne Jacob. 8. Tag des steineichenmonats 2021, auf der suche nach der anderswelt.

Von Marianne Jacob

References

References
1 Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2. 7. 2021.
2, 7 Holger Benkel: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.
3 Gedichte erschienen größtenteils im Gedichtband „Kindheit und Kadaver“ Magdeburg 1995.
4 Ders. Ebenda.
5 Ders. ebd.
6 Holger Benkel: Brief an Marianne Jacob, 2.7. 2021.
8 Ebenda.
9 Ebd.
10 Benkel, Holger: Brief an Marianne Jacob 15. 6. 2021.

Kurzporträt: Friedrich Blass

Mit freundlicher Genehmigung von Käthe Blass

Friedrich Blass, Sohn eines Zimmermanns und einer Hausfrau wurde im September 1928 in Czernowitz geboren.[1]Friedrich Blass: Interview mit Marianne Jacob. Blass ist der erste und zugleich der älteste von mir interviewte Autor in der Reihe der Fragebogenaktion „Autoren Antworten“. Czernowitz war in dieser Zeit eine heterogene rumänische Stadt mit einer interkulturellen Bevölkerung aus Deutschen, Russen, Ukrainern, Polen und Juden. Nach dem Ribbentrop-Molotow-Pakt (1939) zwischen Hitler und Stalin wurde die Stadt im Juni 1940 besetzt und die deutsche Bevölkerung mit der Parole „Heim ins Reich“ in heutige polnische Gebiete umgesiedelt. Czernowitz musste später eine wechselvolle Geschichte durchleben, gehörte 1940-41 zur UdSSR, danach bis 1944 zu Rumänien, anschließend zur UdSSR, sie befindet sich heute in der Ukraine. Auch Familie Blass wurde umgesiedelt und kam nach dem II. Weltkrieg als Flüchtling  nach Bitterfeld.[2]Käthe Blass: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. Blass arbeitete nach dem Besuch der 10. Klasse seit 1945 als Arbeiter, erhielt eine Ausbildung als Zahntechniker und besuchte diverse Kurse an Volkshochschulen;[3]Ebenda später zog er nach Halle. Hier war er im „Zirkel Schreibender Arbeiter“ und veröffentlichte seine erste Arbeit in der Anthologie „Greif zur Feder, Kumpel“.[4]Herbert Jacob: Literatur in der DDR. Bibliographische Annalen 1945-1962. Bd 2, S. 890 und Bd 3, S. 890. Berlin 1986. Später schrieb er Kurzgeschichten, vor allem Erzählungen für Kinder.[5]Käthe Blass: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob Der Autor studierte von 1959 bis 1960 im Direktstudium am Literaturinstitut Johannes R. Becher und hat, wie aus der Fragebogenaktion hervorgeht, noch eine lebhafte Erinnerung an viele Studierende aus dieser Zeit, wie z.B. an Dora Hajek, Lisa Wolfram, Günter Rumposch, Paul Rölle und Fritz Wege. Nach dem Studium war Blass Verlagsassistent und später Lektor[6]Käthe Blass: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. am 1960 neugegründeten DDR-Verlag für Grundstoffindustrie, einem Fachverlag für Bergbau und Energie, mit Sitz in Leipzig, der 1990 von der Treuhand verkauft, später eingestellt wurde und damit das gleiche Schicksal, wie fast alle DDR-Verlage erlitt.[7]Friedrich Blass: Interview mit Marianne Jacob. Im Jahre 1982 zog Blass nach Berlin und verstarb hier 2020.[8]Die Autorin dankt Burkhard Blass und Frau Käthe Blass für die weiterführenden Auskünfte und die Unterstützung der Forschungsarbeiten.

Von Marianne Jacob

References

References
1 Friedrich Blass: Interview mit Marianne Jacob. Blass ist der erste und zugleich der älteste von mir interviewte Autor in der Reihe der Fragebogenaktion „Autoren Antworten“.
2, 6 Käthe Blass: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.
3 Ebenda
4 Herbert Jacob: Literatur in der DDR. Bibliographische Annalen 1945-1962. Bd 2, S. 890 und Bd 3, S. 890. Berlin 1986.
5 Käthe Blass: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob
7 Friedrich Blass: Interview mit Marianne Jacob.
8 Die Autorin dankt Burkhard Blass und Frau Käthe Blass für die weiterführenden Auskünfte und die Unterstützung der Forschungsarbeiten.

Kurzporträt: Gerd Bieker

Gerd Bieker 1988. Foto von Klaus Morgenstern. Quelle: SLUB / Deutsche Fotothek

Betrachtet man Veröffentlichungen bekannter, aber auch unbekannterer Künstler*innen, geht es ihnen nicht nur um Alltag, Sehnsucht, Schicksal und Begehren. Verarbeitet werden auch andere Themen, ohne dass die Publizierenden zugleich auch politische oder umweltpolitische Demagog*innen sein müssten.[1]Vgl. Gerd Bieker: Interview mit Marianne Jacob. 2021

So verfasste Gerd Bieker den Roman „Die Dorflinde“.[2]Gerd Bieker: Die Dorflinde. 1987. In dem generationsübergreifenden Jugendbuch, welches in der erzgebirgischen Heimat des Dichters spielt, fallen Hecken und Gehölze an Feldrändern der Erweiterung von Feldflächen zum Opfer. Auch die uralte Linde im Dorf soll gefällt werden. Ob diese doch noch gerettet werden konnte und inwiefern man Erfahrungen alter Bauern aufnehmen sollte, verrät uns dieses Buch.

Gerd Bieker, Sohn eines Hauptbuchhalters und einer Sekretärin, lebte über 60 Jahre in Chemnitz/ Karl-Marx-Stadt.[3]Gerd Bieker: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. Der in Grünhainichen Gebürtige arbeitete seit seiner Buchdruckerlehre bei der „Volksstimme“ in Chemnitz/sp. Karl-Marx-Stadt, seit 1957 ebendort als Zeitungsdrucker an Rotationsmaschinen.[4]Ebenda. Er war von 1960-1963, u.a. neben Wolfgang Eckert, Alfons Linnhofer (†) und Klaus Steinhaußen (†) Direktstudent am Becher-Institut in Leipzig. Nach dem Studium veröffentlichte er 1963 mit den Absolventen des Instituts Günter Glante und Rolf Merckel (†) eine „Zirkusreportage“. Bieker wirkte als Kulturinstrukteur beim Kulturbund der DDR und leitete mehrere Zirkel Schreibender Arbeiter, bevor er 1970 freischaffender Autor wurde.[5]Ders. ebenda.

Gerd Bieker bei seiner täglichen Presseschau 2021.[6]Gerd Bieker: Kartengruß an Marianne.Jacob, 17. 12. 2021. Mit freundlicher Genehmigung von Gerd Bieker

„Mit dem Satz: ‚Dieses Buch hat nichts mit unserem sozialistischen Lebensgefühl gemein!‘, begann Erich Honecker 1965 auf dem 11. ZK (M.J.: der SED)- („Kahlschlag“)-Plenum seine Beschimpfung der Schriftsteller […]. Gemeint war mein Debütroman „Sternschnuppenwünsche“. Auf sein Veto hin, wurde die erste Druckauflage […] gecancelt. Aber die Personagen wechselten; nach fünf Jahren Denk- und Lektoratszeit erschien das Buch in üppigen Auflagen.“[7]Ebd.

Bieker reiste mehrfach in die UdSSR und nach Rumänien, um Kontakt zu den dortigen Schriftstellerverbänden zu halten. Zu seinen literarischen Vorbildern zählt er Jerome D. Salinger, Thomas Wolfe und die Russischen Dorfliteraten.[8]Ders. ebd. Veröffentlicht hat er selbst Erzählungen, Romane, Reportagen und auch einige Kinderhörspiele.[9]Bieker bedankte sich in einem Brief für die Forschungs- und Fragebogen-Arbeiten am DDR-Literaturprojekt mit den Worten: „Das Vorhaben ist für mich und gewiß auch andere Kollegen sehr … Continue reading

Gerd Bieker verstarb unerwartet am 12. Juli 2022.[10]Auskunft: Herbert Jacob und Wolfgang Eckert.

Von Marianne Jacob

References

References
1 Vgl. Gerd Bieker: Interview mit Marianne Jacob. 2021
2 Gerd Bieker: Die Dorflinde. 1987.
3 Gerd Bieker: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.
4 Ebenda.
5 Ders. ebenda.
6 Gerd Bieker: Kartengruß an Marianne.Jacob, 17. 12. 2021.
7 Ebd.
8 Ders. ebd.
9 Bieker bedankte sich in einem Brief für die Forschungs- und Fragebogen-Arbeiten am DDR-Literaturprojekt mit den Worten: „Das Vorhaben ist für mich und gewiß auch andere Kollegen sehr ermunternd“. Gerd Bieker: Brief an Marianne Jacob, April 2021.
10 Auskunft: Herbert Jacob und Wolfgang Eckert.

Kurzporträt: Karl Sewart

Es gibt recht bemerkenswerte Beispiele dafür, wie ein gewöhnlicher Lehrer auch erfolgreicher Buchautor werden konnte; sind doch die Aufgabenbereiche von Pädagog:innen und Schriftsteller:innen teilweise durchaus überschneidend: Beide müssen recherchieren, beobachten, zuhören, vermitteln und erzählen können.

Auch unter den Absolvent:innen der Leipziger Autorenschule gab es Schreibende Lehrer oder Lehrer als Schriftsteller, wie beispielsweise Wolfgang Buschmann und Karl Sewart.

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Kurzporträt: Florian Kokot

Gewiss ist es etwas Außergewöhnliches, wenn Vater und Sohn, zeitlich versetzt und unabhängig voneinander, ihre Schreibausbildung an derselben Institution erhalten: Florian Kokot studierte von 1973 bis 1976 am Becher-Institut in Leipzig; 33 Jahre später sein Sohn Sascha dort unter gesamtdeutschen Verhältnissen. Da der Schriftsteller Florian Kokot bereits 2016 verstarb, übernahm sein Sohn, mehrmals prämierter Autor und Fotograf, freundlicherweise die Beantwortung des Fragebogens, womit ich ihm hiermit sehr für die Unterstützung bei unserer Forschungsarbeit danke.

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Kurzporträt: Wolfgang Knape

Bereits um 1980 reiste Wolfgang Knape per Anhalter in den sprachlich und kulturell deutsch geprägten Teil Rumäniens. Nicht nur Rumänien stand auf dem Ziel des Reiseschriftstellers. Zwischen Uckermark und Schwarzem Meer sind seine Erzählungen zu Hause.[1]

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