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Kurzporträt: Jürgen Köditz

„Als Kinder lernten wir die Schokoladenseiten der DDR kennen. Wir durften kostenlos unsere Ferien in Betriebsferienlagern in waldreichen Landschaften mit Spiel, Wanderungen und Gesang verbringen. Aber schon damals behagte vielen nicht, dass wir jeden Morgen zum Fahnenappell antreten mussten. So schlich sich […] Disziplinierung unmerklich in unser Kinderleben“, beschreibt Autor Jürgen Köditz seine Kindheit im „Bilderbuch-Sozialismus“.[1]Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“. Arbeiterschriftsteller und Staatsfeind, in: Gerbergasse 18 (59) 2010, S. 15.

Mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Köditz.

Köditz wurde 1939 als Sohn eines Buchhalters und einer Sparkassenangestellten in Jena geboren und erlernte nach dem Abschluss der 8. Klasse den Beruf eines Bauschlossers.[2]Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. Er las viel, beobachtete seine Arbeits- und Umwelt und begann Artikel „über die Abfallentsorgung in die Saale zu schreiben“[3]Isabelle Lehn; Sascha Macht; Katja Stopka: Schreiben lernen im Sozialismus. Göttingen 2018, S. 387., die nie publiziert wurden. Seit 1964 wirkte er im Zirkel Schreibender Arbeiter Carl Zeiss Jena.[4]Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. . Fünf Jahre später gehörte er zu den ersten Fernstudenten des damals neu eingerichteten Studienganges am Institut für Literatur Leipzig; gemeinsam mit seinen Kommilitonen Rudolf Prinz (+), Friedrich Plate und Peter Biele wechselte er dann dort 1970 in das Direktstudium.[5]Interview mit Marianne Jacob.

Köditz, ausgestattet mit derbem Humor, unangepasst, „zu sozialistischen Idealen erzogen“, hat „mit spitzer Feder viele Missstände aufgespiesst“, so seine Selbstauskunft.[6]Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“, S. 16. „So geschah es schon im ersten Monat am Literaturinstitut“[7]Ebd. , als Köditz mit einer literarischen Arbeit über seine negativen Erlebnisse bei der Nationalen Volksarmee berichtete. „Ein besonders wachsamer Student […] empörte sich bei der Institutsleitung“ und Köditz erhielt einen „schweren Verweis wegen Klassenfeindlichkeit.“[8]Ebd.

Der Kommilitone Steffen Mohr (+) bezeichnet Köditz als „Naiven“[9]Lehn et al: Schreiben lernen im Sozialismus, S. 411., in den Stasi-Akten über ihn wurde er als „Träumer“[10]Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“, S. 18. geführt. 1976 erschien sein erster Gedichtband, mit nachdenklichem, sachlichem und auch kritischem Blick auf Arbeitsalltag, Natur und Zukunft:

Meine Spur

Wer auf der Planierraupe sitzt,

schiebt viel über den Haufen.

Weh tut mir manchmal,

einzuplanieren,

die letzte Trollblume,

das letzte Froschkonzert

vor unserer Stadt

Jürgen Köditz: Meine Spur, in: Ders.: Meine Blaujackenzeit. Gedichte. Berlin 1976, S. 51.

Seine unbequemen, spöttischen, nachdenklichen, anprangernden und auch mahnenden Aphorismen „Spitzensalat“ erschienen im Wendejahr im Eulenspiegel Verlag Berlin. Köditz resümiert: „Einst gefördert von den Genossen wurde ich zweimal ins literarische Abseits befördert: in der DDR und in den Jahren danach bis heute.“[11]Ebd. Im Jahr 2005 zog Köditz nach Brasilien und gründete dort eine Familie.[12]Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.

Im Elfenbeinturm der Erkenntnis

1. Anordnung:

Über die Hauptbelastung für Energie –

sparsam sein.

2. Anordnung:

Über Belastbarkeit der Werkzeuge

und Maschinen – pfleglich

und rationell mit ihnen umgehen.

3. Anordnung:

Über Belastbarkeit von Menschen –

noch immer in Vorbereitung.

Jürgen Köditz: Im Elfenbeinturm der Erkenntnis, in: Ders.: Spitzensalat. Berlin 1989, S. 72.

Autorin: Marianne Jacob

References

References
1 Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“. Arbeiterschriftsteller und Staatsfeind, in: Gerbergasse 18 (59) 2010, S. 15.
2 Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.
3 Isabelle Lehn; Sascha Macht; Katja Stopka: Schreiben lernen im Sozialismus. Göttingen 2018, S. 387.
4 Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.
5 Interview mit Marianne Jacob.
6 Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“, S. 16.
7 Ebd.
8 Ebd.
9 Lehn et al: Schreiben lernen im Sozialismus, S. 411.
10 Jürgen Köditz: Erinnerungen an ein Leben im „Bilderbuch-Sozialismus“, S. 18.
11 Ebd.
12 Jürgen Köditz: Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.

Kurzporträt: Gunter Preuß

In einem Unterrichtsraum des Literaturinstituts J. R. Becher, rechts: Gunter Preuß und links Peter Biele mit einem weiteren Kommilitonen. Mit freundlicher Genehmigung von Gunter Preuß

Fast unbemerkt von den großen Medien erschien im Coronajahr 2021 die Geschichte „Neues von Gretel und Hänsel“ von Gunter Preuß im Leipziger Engelsdorfer Verlag. Preuß, der die Handlung des weltbekannten Märchens der Brüder Grimm in die heutige Zeit überträgt und damit auch neue Fragen aufwirft, hat dieses Buch nicht nur für Kinder, sondern auch besonders für Erwachsene geschrieben. Die Rezension von Ralf Julke, ebenfalls ehemaliger Absolvent des Leipziger Literaturinstituts, ist tiefgehend, deutend und aufrüttelnd.[1]Vgl. Ralf Julke: [Rez.], in: Die Leipziger Zeitung (L-IZ), 18. Februar 2021.

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References

References
1 Vgl. Ralf Julke: [Rez.], in: Die Leipziger Zeitung (L-IZ), 18. Februar 2021.

Kurzporträt: Horst Seidel

Horst Seidels Texte sind zeitbezogen, bodenständig und kritisch. Seine Protagonisten sind stets, wie auch in den Werken von Hans Fallada, die kleinen Leute. In seinem Buch „Warten auf Anschluss“, in dem Seidel mehrere Prosatexte vereint, stechen neben der Titelgeschichte „Die tragischen Abstürze einer Büroklammer“ auch „Drei Wünsche einiger Autoren an die Politik“ sowie die Erzählung „Die Katze II“ hervor, in der die Alltagswelt der Verwaltungsangestellten „Frau Müller“ geschildert wird:

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