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„Nein, schreiben habe ich dort nicht gelernt.“ Angela Krauß im Gespräch mit Astrid Köhler über ihr Studium am Literaturinstitut

Angela Krauß 1984. Foto von Barbara Morgenstern. Quelle: SLUB / Deutsche Fotothek

Astrid Köhler: Als Teil Ihrer künstlerischen Ausbildung haben Sie drei Jahre am damaligen Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig studiert. Was war das für eine Schule?

Angela Krauß: Sie hieß auch „kleinste Hochschule der Welt“. Sie war vom Status anderen Kunsthochschulen gleichgestellt. In der grünen Villa in der Tauchnitzstraße in Leipzig studierten 13 Studenten drei Jahre lang. Wir waren in meinem Kurs zwischen 26 und 48 Jahre alt. Alle hatten eine abgeschlossene Berufsausbildung, das war Bedingung, alle hatten Erfahrungen mit einem Berufsleben und einen oder mehreren Familienleben. Also: Sie wußten, was Leben ist. Und sie hatten Erfahrungen damit, wie in diesem Alltag konträre Bestrebung wie das Schreiben unterzubringen, durchzusetzen ist. Nämlich unter Zugeständnissen, Opfern, Zerrissenheit persönlicher und auch politischer Art. Wer es bis zu diesem Studium gebracht hatte, war also schon Jahre vorher bereit gewesen, dies alles zu akzeptieren. Daß dieses Studium mit einem Hochschulabschluss endete, jedoch für das weitere Schreiben oder gar für den Schriftstellerberuf keinerlei Garantie bot, verstand sich von selbst. Es gehört zum Gesamtwagnis einer Künstlerexistenz dazu. Eine Schule ist dabei eine Selbstprüfung unter vielen anderen, mehr nicht.

Und falls Sie das auch noch fragen wollten: Nein, schreiben habe ich dort nicht gelernt. Kein Institut der Welt kann das lehren. So wie ich Schreiben verstehe. Das Gedicht (die gedichtete Welt) ist in einem und wartet, daß es aufgehen kann, es braucht bestimmte Bedingungen, Ereignisse im Lebenslauf, welche, weiß niemand vorher. Vielleicht treten sie auch nicht ein. Die Institutsjahre habe ich als eine Art Vorbereitung erlebt. Ich habe dort kaum geschrieben. Ich wurde mir dort aber immer sicherer, daß die Form vollkommen in mir liegt. Ohne daß ich sie schon verwirklichen konnte. Das, was Sie den künstlerischen Prozeß nennen würden, das alles ist so weit entfernt von Formulierbarkeit. Manchmal versuche ich mir selbst auf die Schliche zu kommen. Begreifen werde ich es nie.

Das komplette Interview wurde auf der Homepage von Angela Krauß unter dem Titel „20 Jahre danach – Gespräch mit Astrid Köhler (2009)” publiziert.


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